ZAMG maßgeblich an magnetischer Vermessung Europas beteiligt
Experten der ZAMG koordinieren europaweite Wissenschaftskooperation
Das Erdmagnetfeld verändert sich zeitlich unablässig und auch auf unterschiedliche Weise in den Weltregionen. Die Kenntnis der aktuellen Magnetfeldwerte ist jedoch in technischer, geowissenschaftlicher wie auch in biologischer Hinsicht für den Menschen von Bedeutung. Es bedarf also ständiger Wiederholungsmessungen.
Erste wissenschaftlich fundierte Feldmessungen in Teilen Europas sowie Mittel- und Südamerikas wurden von Alexander von Humboldt um 1800 durchgeführt. Dies genügte jedoch nicht, um dem genaueren globalen Feldverlauf und besonders seinen Veränderung auf die Spur zu kommen.
Sogar bis vor Kurzem mangelte es noch an großräumigen, länderübergreifenden magnetischen Vermessungen an der Erdoberfläche. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gab es in Europa Vermessungen nur staatenweise, welche noch dazu nach unterschiedlichen Methoden, mit verschiedensten Instrumentarien und auch zu verschiedenen Zeiten durchgeführt wurden.
„Besonders die turbulente politische Geschichte Europas in der ersten Hälfte des 20. Jhdts., die territorialen Umgestaltungen und letztlich die Spaltung in Ost und West mitten durch Europa ließen eine gemeinsame Vermessung einer Fläche von kontinentalem Ausmaß nicht zustande kommen. Es kommt besonders darauf an, dass in allen Regionen und Staaten gleichzeitig gemessen wird. Nur auf diese Weise ist gewährleistet, dass die in den verschiedenen Regionen gemessenen Magnetfelder zu einem einzigen zusammengesetzt werden können“ sagt Dr. Gerald Duma von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geophysik (ZAMG) in Wien.
Um eine solche koordinierte Vermessung Europas erstmals zu realisieren wurde im Jahr 2003 ein Workshop am geomagnetischen Observatorium Niemegk, nahe Potsdam, in Deutschland einberufen. Auf Anhieb nahmen Fachleute aus 20 Staaten teil. Es bildete sich eine Arbeitsgruppe, die heute den Namen MagNetE (Magnetic Network for Europe) führt. Das große Interesse der Staaten an dem Vermessungsprogramm, an einer Angleichung der Messprozeduren und dem Aufbau einer gemeinsamen Datenbank für die Vermessungsdaten führte zu den weiteren Workshops in Warschau (2005), Bukarest (2007), Helsinki (2009) und zuletzt in Rom (2011).
MagNetE wird derzeit leitend von Mitarbeitern des Geomagnetischen Dienstes der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) auf der Hohen Warte in Wien geführt. Dieser Geomagnetische Dienst betreibt auch das einzige österreichische magnetische Observatorium, derzeit noch in Wien angesiedelt, in Kürze jedoch durch ein hochmodernes Observatorium 50 km südwestlich von Wien ersetzt.
Die internationale Kooperation führte schon 2006 zu umfangreichen und synchron durchgeführten Vermessungsarbeiten. Die gewonnenen Daten umfassen 380 Feldpunkte in 22 Staaten Europas. Österreich als vergleichsweise kleines Land Europas verfügt dabei über 14 Messpunkte. Den Feldwerten konnten noch die Daten von 41 geomagnetischen Observatorien in Europa beigefügt werden.
Für Europa ist dieser umfassende Satz an magnetischen Bodendaten über ein so großes Gebiet von kontinentalem Ausmaß einzigartig, und auch international eine Besonderheit. Das Material gestattet wissenschaftliche Analysen über die Verhaltensweise des sog. Geodynamo, der im tiefen Erdinneren das Erdmagnetfeld erzeugt und auch für die Schwankungen des Feldes verantwortlich ist.
Die Daten gestatten jedoch erstmals auch eine genaue kartenmäßige Gesamtdarstellung des Erdmagnetfeldes in Europa. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Darstellung der sog. Magnetischen Deklination oder Magnetischen Missweisung. Diese Größe gibt den Winkelbetrag zwischen der geomagnetischen und der geographischen Nordrichtung an. Die Deklination hat seit jeher eine große praktische Bedeutung für Navigationszwecke, besonders in der Schiff- und Luftfahrt, jedoch auch für Expeditionen und z.B. den Bergtourismus, wie auch für den Bergbau. Wie die Wissenschaft in den letzten Jahrzehnten auch zunehmend aufzeigt, verfügen weit mehr als angenommen Tierarten über magnetische Sensoren und nützen den Kompassmechanismus um ihre Wanderrouten gezielt und erfolgreich absolvieren zu können.
Gerald Duma und Barbara Leichter vor der gesamteuropäischen magnetischen Karte. © ZAMG
Die Abbildung zeigt die Experten Gerald Duma und Barbara Leichter der ZAMG, Abteilung Geophysik, mit einer gesamteuropäischen magnetischen Karte, welche auf der erstmals koordinierten und synchron durchgeführten Vermessung in 22 europäischen Staaten beruht. Die Geomagnetiker an der ZAMG produzieren überdies auch die Karten für den internationalen Gebrauch, auf Ansuchen der Arbeitsgruppe MagNetE.
MagNetE arbeitet weiters bereits an der Auswertung der 2010 gewonnen Vermessungsdaten in Europa. Denn die Bodendaten werden in den nächsten Jahren auch in einem anderen aktuellen Zusammenhang benötigt: Das neue Satellitenprojekt SWARM der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) sieht simultane magnetische Messungen von drei Satelliten im erdnahen Weltraum vor. Deren Daten sollen in Kombination mit den Bodendaten dazu dienen, das derzeitige theoretische Modell des Erdmagnetfeldes und seiner Veränderungen zu überprüfen und zu verbessern.