Strahlungsbilanz und unser (Winter-)Wetter

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Herfried
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Donnerstag 22. Januar 2015, 11:49

Bereits vor einiger Zeit speicherte ich mir von einer Klimaseite folgendes Insolationsdoagramm ab:

Bild
Doch was bedeutet dies für uns?


Die Solarkonstante beträgt 1367 W/Qm auf Erdumlaufbahnhöhe.
Dies verteilt sich auf der Kugeloberfläche der Erde (Faktor 4) und wird um die spärische Albedo abgeschwächt Albedo: 0.306 - absorbiert 0.694).
Das ergibt 237 W/Qm im irdischen Durchschnitt und eine Temperatur von 15°C.


Ich versuche mich nun mit einer Kontrolle:
Folgende tropische Insolation...

Bild

...von rumd 300W/Qm ergibt 30°C Durchschnittstemperatur.
Nach dem Boltzmannschen Strahlungsgesetz geht die Temperatur in 4. Potenz in die Wärmestrahlung ein, die in etwa mit der Einstrahlung in Gleichgewicht steht (Anmk.: Unschärfe Komvektion und Treibhausgase).
303 K hoch 4 / 288 K hoch 4 ergibt 1,225.

300W/Qm durch diese Faktor ergibt 245 W/Qm, hinreichend ähnlich den obigen Wert.

Dasselbe mit 0°C, unserem winterlichen Durchschnitt, gerechnet ergibt ca. 200W/Qm.


Bei dunklen Oberflächen, ausreichend Feuchte für den Treibhauseffekt des Wasserdampfs und gleichzeitig sonnigem Wetter (Bei Nebel und Wolke entscheidet die Tageszeit über die Nettobilanz). kann man von ca. oder etwas über 220 W/Qm an der Atmosphärengrenze zu ausgeglichener Strahlungsbilanz ausgehen.

Das ist bei uns ca. am Tag 55-60 im Jahr gegeben, sprich in der letzten Februarwoche. Bei Schneefreiheit hält sich die Temperatur ohne WLA. Tagesschnitt von ca. Null Grad bedeutet auch auftauen / abfließen von Eis durch die Plusgrade unter Tags.

Im Herbst ist dasselbe spiegelverkehrt bei ca. Tag 280-90 soweit - in der letzten Oktoberwoche.

Und auch in den 1, 2 Wochen nahe dieser Grenze ist die Strahlungsleistung nur so schwach negativ, dass sich richtige winterliche Abkühlung nicht ausgeht.

Daher ist Eigenbauwinter vor Anfang November sowie nach Mitte Feber nicht mehr zu kriegen, es geht davor/danach nur mit kräftiger KLA... sonst baut sich einfach keine Kaltluftmasse auf.

Für das aktuelle Jahr bedeutet das: Sollte sich nicht bald eine Schneedecke bilden, die ob ihrer Albedo die Karten neu mischt, wird es bestenfalls kurze KLA bedinte Winterepisoden geben. Die Strahlungsbilanz ohne Schneedecke wird zusehends winterfeindlich, und in 1 Monat definitv Frühlingshaft.
Schöne Grüße aus Mühldorf bei und 100 m über Feldbach, Herfried Spät-Schneefrosch 2011 und 2020 ex aequo, früh 2021, Eisfrosch 2020
Chachapoya
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Freitag 23. Januar 2015, 13:29

Danke für diese aufschlussreichen und spannenden Ausführungen. Nur deine Schlussfolgerungen kann ich nicht ganz nachvollziehen, da deine Berechnungen ja die Wärmekapazität des Bodens außer Acht lassen. Man darf ja nicht vergessen, dass der Boden bis - sagen wir - 1m Tiefe je nach Zusammensetzung und Wassergehalt die gleiche Wärmekapazität wie die Luftsäule darüber bis in mehrere Kilometer Höhe hat. Dazu kommt noch der Wärmetransport aus tieferen Bodenschichten mit fast konstanten 12 °C oder so (je nach Lage).

Wenn man das einbezieht, ist nach meinem Verständnis in unseren Breiten ein "Eigenbauwinter" ohnehin an keinem Tag im Jahr möglich und bedarf der "Unterstützung" durch kalte Luftströme + Niederschläge, also Schnee, der dann den Boden von der Luft isoliert. Und dafür gäbe es auch jetzt noch genug Möglichkeiten.
Das ist bei uns ca. am Tag 55-60 im Jahr gegeben, sprich in der letzten Februarwoche. Bei Schneefreiheit hält sich die Temperatur ohne WLA. Tagesschnitt von ca. Null Grad bedeutet auch auftauen / abfließen von Eis durch die Plusgrade unter Tags.

Im Herbst ist dasselbe spiegelverkehrt bei ca. Tag 280-90 soweit - in der letzten Oktoberwoche.
Hier zeigt sich der Bodeneinfluss doch auch deutlich. Denn nach der reinen Strahlungsbilanz müsste im langjährigen Schnitt das Temperaturminimum ja zur Wintersonnenwende sein - tatsächlich liegt es doch irgendwo Ende Jänner, oder?

Grüße,
Gerald

P.S. Persönlich wäre ich gar nicht unglücklich (anders als die Mehrheit hier im Forum ;) ), wenn der Winter weiter wie im Moment verläuft. Da können meine mediterranen Pflanzen weiterhin draußen bleiben, was für sie besser ist (Schädlingsbefall und Blattfall bei indoor-Aufenthalt) und mir eine Menge Schlepperei erspart ...
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Herfried
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Freitag 23. Januar 2015, 14:05

Der Boden kann zwar viel Energie speichern...

...aber nur langsam abgeben.
Ein paar gute Strahlungsnächte und eine dünne isolierende Schichte ist gefroren.

Zwar bremst warmer Boden darunter die Tiefstwerte ein, verhindert aber keinesfalls Winter.
Global gesehen ist es natürlich die kombinierte Trägheit der Cryosphäre, der Ozeane, der Böden, der Luft - welche Anzapfbare Kaltluftmassen bis Ende Februar immer weiter aufbaut.

Daher liegen im Schnitt die kältesten Wintertage Ende Jan, Anfang Feber (noch winterliche Steahlungsbilanz, fast optimale KLA Möglichkeiten, Trend zu ruhigeren Winterhochs plus Strahlungswirkung.
..umgekehrt dasselbe im Sommer.

Im Gegensatz zu Meeren und auch großen durchmischen Süßgewässern ist der Wärmefluss in den Boden durch langsame Wärmeleitung limitiert.
Insbesondere Schnee koppelt den Boden ab. Oder im Sommer trockene staubige Grasdecken.

Derzeit ist der Boden warm... aber kalt genug, dass in trockenr Hochdruckluftmasse in kürzester Zeit Dauerfrost herrschte.
Aber auch warm genug, dass bei WLA die Sonne eine Millimeterdicke Schicht so aufheizt dass eben mal 22°C gehen...
Schöne Grüße aus Mühldorf bei und 100 m über Feldbach, Herfried Spät-Schneefrosch 2011 und 2020 ex aequo, früh 2021, Eisfrosch 2020
Chachapoya
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Freitag 23. Januar 2015, 14:18

Ja, sicher hat gefrorener Boden nicht die Wärmekapazität und schon gar nicht die Wärmeleitfähigkeit von solchem mit flüssigem Wasser - aber trotzdem doch noch viel höher als bei einer isolierenden Decke aus lockerem Schnee (mit 90-95% Luft).

Im übrigen - rein persönliche Vermutung - könnte ich mir vorstellen, dass die intensiven Niederschläge des Vorjahres zu höherer Restfeuchte im Boden als sonst geführt haben und durch die höhere Wärmekapazität und -leitfähigkeit den Winter 2014/2015 zusätzlich einbremsen.

Grüße,
Gerald
_M_J_

Freitag 23. Januar 2015, 22:38

Hallo,
@Gerald: Ich persönlich glaube eher nicht (zumindest was das nordöstliche Flachland betrifft). Nach der Schneeschmelze 2013 ist viel zu wenig Regen gefallen um den darauffolgenden trockenen Hitzesommer auszugleichen, der Winter 13/14 war auch sehr dürftig was Niederschläge anging ebenso der Frühling, halbwegs normalisiert hat sich der Wasserhaushalt erst nach dem "verregneten" und kühlen Sommer 2014, ich denke man kann dies ziemlich gut am Wasserstand des Rußbachs mitverfolgen (zumindest für unser Untersuchungsgebiet). Der Rußbach führt momentan leicht überhöhtes Mittelwasser davor ist er fast ein ganzes Jahr bei 5-10cm unter MW herumgegondelt.
MfG
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