Tornado-Definition & Grenzfälle

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Mortimer
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Freitag 3. Juli 2009, 17:06

Anlässlich der aktuellen, zahlreichen Tornadosichtungen, hier mal ein Beitrag von Alois Holzer vom ESWD - das hilft vielleicht dem einen oder anderen, seine Sichtung korrekt einzuordnen:

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Grundsätzlich ist ein Tornado so definiert, dass es eine klar abgegrenzte
Rotation (kleinerer Dimension im Vergleich zur Mutterwolke) unter einer
konvektiven Wolke geben muss, und dass eine Verbindung (nicht unbedingt
durchgehend sichtbar, aber zumindest optisch anzunehmend) vorhanden sein
muss.

Wenn diese Rotation den Boden berührt, so handelt es sich unabhängig von der
Stärke und Ausgeprägtheit des auskondensierten Wolkenschlauches bzw.
-trichters um einen Tornado. Freilich ist die Abgrenzung zu mehr oder
weniger zufällig für kurze Zeit rotierenden Fracti nicht ganz einfach. Was
wir also nicht wollen, das sind "Tornados", die nur aus Inflow-Fracti
bestehen, die für kurze Zeit rotiert haben. Wirklich scharf abgrenzen lässt
sich das aber nicht, da wird immer ein gewisser Graubereich bleiben.

Ich gebe Dir recht, dass die aktuellen Fälle stark an Nikolai Dotzeks
unterkritische Fälle erinnern. Zumindest bringt uns die heurige Saison eine
deutliche Auffettung von F0-Fällen in der Statistik, was ja auch ganz
plausibel ist.

Grundsätzlich muss man sich ja genau bei dieser Lage auch ungewöhnlich viele
schwache und kurzlebige Tornados erwarten. Sehr tiefe Basen, sehr viele
Gewitterzellen-Neubildungen am laufenden Band, also aufgrund der Menge auch
eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, durchaus hohe Cape-Werte, also
kurzfristig (bis zum Reifestadium der einzelnen Zelle) hohe
Vertikalbeschleunigungen. Dass es unter solchen Bedingungen ohne Shear keine
langlebigen und starken Tornados geben kann, ist auch sehr plausibel.

Ich muss das also im Endeffekt dem Beobachter überlassen bzw. seiner/ihrer
plausiblen Bestätigung einer einigermaßen stabilen Rotationsbewegung, ob es
sich um einen Tornado gehandelt hat oder nicht. Ich bitte Euch aber solche
Fälle im Kommentar kurz zu beschreiben, dass sie unsicher sind, und mit der
schon gestern genannten Option zu versehen.
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Im Prinzip bedeutet das also, dass auch Verdachtsfälle wenn möglich in die ESW-Datenbank eingetragen werden sollten - allerdings natürlich mit den Hinweis der Unsicherheit (z.B. ist es möglich "Gustnado possible" anzugeben).

liebe Grüße
Mortimer M. Müller
Kreativblog: https://blog.mortimer-mueller.at
Waldbrand-Datenbank Österreich: https://fire.boku.ac.at
stivi1989

Freitag 3. Juli 2009, 21:55

Eine sehr gute Erklärung und Information!
Dankeschön fürs Posten!

LG
Stefan
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