27.07.2019 - Sturmschäden durch Tornado (F1) Grafenschachen (Bgld)

Infos zu Unwetter-Schäden bekannt aus Medien & Schadensanalysen
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nuntius
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Mittwoch 31. Juli 2019, 21:04

Nach Durchsicht der Schadensfotos (viewtopic.php?p=409525#p409525) und der besonderen Wetterlage war es aus der Ferne nicht genau möglich, das Ereignis als Fallwind oder Tornado einzustufen, weshalb ich mich am Montag in das Gebiet begab und eine vor Ort Analyse durchführte.
Zunächst ein paar Radarbilder aus denen hervorgeht, dass bei überwiegender Südströmung eine Zelle die Zugrichtung nach Osten ausscherte.

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Jener Zeitpunkt zu dem sich die Zelle über Grafenschachen (13:45 UTC) befand..
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..und ihre gerade Linie nach Osten beibehielt
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Meine ersten Erkundungen hab mich nicht Neustift an der Lafnitz geführt, wo mir sogleich zwei zum Teil abgetragene Stalldächer aufgefallen sind. Bis auf zwei Äste und einem umgestürzten Baum beim Badesee, konnte ich sonst nur Hagelschäden an Autos, Carports und Maisfeldern vorfinden. Ein angetroffener Bewohner berichtete mir nur vom Hagelschauer und der Belagsbildung, bei denen die Hagelkörner überwiegend Erbsengröße (0,5cm) bis max. Wallnussgröße (2,5cm) erreichten. Ein besonderes Windereignis, mit Ausnahme der beiden abgedeckten Dächer, wäre ihm nicht aufgefallen. *ähm*

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Ich führte meinen Weg, einer gedachten Linie anhand der bisherigen Schadstellen, weiter Richtung Grafenschachen (ostwärts). Dort fiel mir im Bereich des Sportplatzes der an einem Bach gelegene, mit Bäumen ausgeprägte, Windschutzgürtel auf.

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In Hauptfallrichtung der Bäume sah man bereits zwei weitere Schadstellen an Dächern, die provisorisch abgedeckt wurden. Dies waren meine nächsten Anhaltspunkte und auch der Weg zum Tennisplatz.
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Die Bilder sind bereits aus diesem Theard bekannt. Hier wurde eine Holzhütte völlig zerstört und auf den Platz gehievt (von der nördlichen Ecke an die westliche Seite). Auch der Zaun wurde an den jeweils gegenüberliegenden Seiten, deutlich sichtbar in dieselbe Richtung gedrückt.
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Im umliegenden Areal konnte ich noch zwei weitere Bäume sehen, die in einer anderen Richtung (NE-SW) zu liegen kamen. Auch nahegelegene Häuser hatten einige Schäden an Dächern (lose Dachziegeln, fehlende Eternitplatten, abgerissene Blechvordächer,..) , wie mir ein angetroffener Hausbesitzer zeigte und das Innenfoto von seinen Stadl ermöglichte. Die fehlenden Trümmer lagen beim südlichen Nachbarn im Garten.
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Die Linie führte mich zu meiner letzten markanten Schadstelle außerhalb von Grafenschachen Richtung Pinkafeld. Die Bäume lagen hier gegen die Zugbahn, also von Osten nach Westen!
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Entlang der Straßen und in den Gärten sah man viele kleine Äste und Laub am Boden liegen. Der Mais war teilweise geneigt, trug aber mehr Schäden vom Hagel davon. Die meisten entwurzelten Bäume wurden bereits aufgearbeitet, wie z.B. ein 50 Jahre alter Nussbaum, von dem mir die Ortsbewohner in den Gesprächen berichteten. Zudem wäre der Wind zuerst eingetreten und kleinkörniger Hagel bzw. Regen eine Begleiterscheinung.

Abschließend noch eine Detailkarte mit eingezeichneten, aufgefundenen Schadstellen, die eine gewisse Zirkulation erahnen ließen.
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Aus Pinkafeld wurden keine besonderen Windschäden gemeldet, wie jedoch aus dem oben verlinkten Bericht, enorme Niederschläge inkl. Hagel!

Zusammenfassend:
Die Zugrichtung der Superzelle war W-E; die angefundenen Schäden ergeben eine unterbrochene Linie, sind an unterschiedlichen Dachstellen und -seiten, in unterschiedlichen Himmelsrichtungen; in Wäldern als auch Freiflächen insbesondere in Maisfeldern konnten vom Boden keine Schneisen angefunden werden;
Schadensbewertung: kleinere Dachschäden (F0+) bzw. die größeren abgetragenen Eternitplatten (F1+), die Hütte beim Tennisplatz (F1+) und die kräftigen, entwurzelten Bäume (F1-);

Auch lt. Georg Pistotnik - dem an dieser Stelle mein Dank gebührt - "hat sich das Gewitter sehr lange und klar wie eine Superzelle verhalten und die bodennahe Windscherung war in diesem Bereich außerordentlich gut, weil sich der Outflow der Vormittags-Gewitter in Niederösterreich aus Nordosten um die Alpen "herumgewickelt" hat" weshalb eher von ein Tornado mit F1-Stärke auszugehen ist, als von einem Fallwind.
Standort: Südburgenland - 47°9'35''N 16°17'20''E - 263m ü.A.
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SteHo
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Super Schadensdoku, danke fuer deine Muehe!
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Feli
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vielen dank für den aufwand!
sehr interessanter bericht! *ja* *top*
liebe grüsse
(die) Feli
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