[BESTÄTIGT] 14.07.2021 Tornado in Hürth bei Halbenrain (STMK) + UPDATE mit großer Analyse (18.07.2021)

Infos zu Unwetter-Schäden bekannt aus Medien & Schadensanalysen
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jfk
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Mittwoch 14. Juli 2021, 20:49

Hallo!

Im Zuge der morgendlichen Unwetter gab's in der Südost-Steiermark einen fraglichen Tornado. Die Leute und Medien sprechen von einem "Wirbelsturm", falls weitere Bilder oder Videos auftauchen bitte gerne dazu hängen.

https://tvthek.orf.at/profile/Aktuell-n ... k/14959323

https://www.kleinezeitung.at/steiermark ... t-Anrainer

https://www.facebook.com/bfvra/

https://steiermark.orf.at/stories/3112659/
Zuletzt geändert von jfk am Montag 19. Juli 2021, 20:53, insgesamt 1-mal geändert.
Liebe Grüße, Johannes,
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hhkes
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Mittwoch 14. Juli 2021, 23:14

Was für einen Tornado spricht, ist die scharfe räumliche Begrenzung und vor allem (im Amateurvideo) der "zurückkommende" Kübel. Müsste man genauer analysieren, komme aber erst frühstens am SO dazu.
LG, Harald
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CM, Standort Campus MedUni Graz
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ThomasPf
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Donnerstag 15. Juli 2021, 00:35

Gespeicherte Webcambilder der Umgebung.

Bad Radkersburg - Altstadt:
Bild
Quelle: https://www.bergfex.at/sommer/bad-radke ... ams/c8095/

Klöchberg vor 07:15 Uhr:
Bild
Quelle: https://www.bergfex.at/sommer/kloech/webcams/c7946/

Klöchberg vor 07:30 Uhr:
Bild
Quelle: https://www.bergfex.at/sommer/kloech/webcams/c7946/

Bad Radkersburg - Therme:
Bild
Quelle: https://www.bergfex.at/sommer/bad-radke ... ams/c7930/


Ich habe mir sie noch nicht bzgl. "Auffälligkeiten" genauer angesehen. ;)
Liebe Grüße,
Thomas.


Hart bei Graz, Ragnitztal 47°4'25''N, 15°31'1''E, 418m ü.NN, bzw.
Graz Innere Stadt 47°04'12''N, 15°26'26''E, 353m ü.NN


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Dustdevil
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Donnerstag 15. Juli 2021, 11:46

Hab mal das erste Webcambild ein bisschen bearbeitet. Was trichterförmiges ist auf jeden Fall zu sehen, ob Fallstreifen oder tatsächlich Tornado ist schwer zu sagen. Zeit und Blickrichtung würden jedenfalls passen.

Bild
LG Gerald

[x]Standort: Karnberg Gemeinde St.Veit/Glan (640m)
[ ] Standort: St.Veit/Glan (476m)
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jfk
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Montag 19. Juli 2021, 20:57

UPDATE vom 18.07.2021:

Hallo!

Im Zuge der morgendlichen Unwetter am 14.07.2021 kam es in Hürth bei Halbenrain (STMK, Bez. Südoststeiermark) zu einem Tornadoverdacht. Papa Harald (@hhkes) und ich fuhren am Sonntag (18.07.2021) in die kleine Ortschaft, um die Schäden zu dokumentieren und zu beurteilen, ob es sich um einen Linienwind oder einen Tornado gehandelt hatte.

Die ersten Aufnahmen stammen von einem kleinen Haus am Waldrand (siehe Satellitenaufnahme unten). Die Gewitter zogen an diesem Morgen von Südsüdwest nach Nordnordost (Strömung Süd – Nord, die Zelle scherte nach Osten aus), was auch die hauptsächliche Fallrichtung der Bäume ist. Jedoch liegt der westlichere (am Satellitenbild links; Nr. 1 am Bild) im 90 Grad Winkel zur Zugbahn nach Westen. Die restlichen Bäume liegen relativ einheitlich nach Norden, wobei die Äste und Büsche sehr verdreht aussahen:

Bild

Quelle: Google Maps (https://www.google.at/maps/@46.7596559, ... a=!3m1!1e3)

Baum Nr. 1:

Bild

Bäume Nr. 2:

Bild

Bild

Danach schauten wir den Waldrand hinter (nördlich) dem Haus an. Sehr begrenzt sieht man dabei ordentliche Schäden, genau in einer Linie mit dem Haus. Nr. 3 auf der Karte:

Bild

Ast abgedreht und verkeilt:

Bild

Bild

Weitere Schäden im Ort, auf der Karte festgehalten:

Bild

Abgedecktes Dach (Nordseite); Nr. 4:

Bild

Große Dachflächen, bereits weggeräumt; Nr. 5:

Bild

Weitere abgedeckte Dächer und abgerissener Baum; Nr. 6:

Bild

Bild

Bild

Entwurzelter Baum, der nach Süden, also direkt entgegen der Zugrichtung der Zelle, liegt (Nr. 7):

Bild

Eingedrückte Wand eines Stadels; Nr. 8:

Bild

Umgestürzter kleiner Baum bei der Feuerwehr, liegt auch direkt entgegen der Fallrichtung; Nr. 9:

Bild

---------------------------------------------------------------------------------

Hier der Radarloop der Zelle…

Bild

Quelle: RADARSKA SLIKA PADAVIN (http://meteo.arso.gov.si/met/sl/weather/observ/radar/).

… sowie die einzelnen Radarbilder zum Zeitpunkt des Verdachtsfalls:

Bild

Bild

Quelle: Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/regenra ... rmark.html).

Bild

Bild

Bild

Man erkennt dabei, dass der Hauptkern (= Downburst) der Superzelle etwas weiter östlich vorbei gezogen ist. Nach Durchzug bzw. Vorbeizug am Schadensort hatte sich die
Zelle verstärkt.

Zum Abschluss noch einmal eine Übersichtskarte mit allen Schadensorten (auch jenen, die wir nicht fotografisch dokumentiert haben):

Bild

---------------------------------------------------------------------------------

Wir sind zu folgendem Schluss gekommen:

Pro Fallwind / Downburst:

- Relativ einheitliche Fallrichtung + Kanaleffekt durch Hügel im Westen und Osten
- Hagelschäden in den Feldern direkt östlich der Ortschaft
- „Falsche Seite“ des Aufwindes (Mesozyklone müsste auf der südöstlichen Seite sein)

Pro Tornado:

- Extrem eng begrenztes Schadensfeld
- Einzelne Bäume, die gegen die Zugrichtung liegen und mehrere Bäume, die nicht exakt in Zugbahn liegen
- Keine Schäden im nördlichen Wald (Tornado hebt ab und löst sich auf)
- Keine Schäden östlich, westlich oder südlich der Ortschaft
- Video, welches zum Zeitpunkt des Schadens aufgenommen wurde, wo ein Kübel wieder zurück geflogen kommt (Link folgt, falls auffindbar)
- Mehrere Bewohner, die lt. Zeitungsberichten von einem „Wirbelsturm“ sprechen
- Verstärkung der Superzelle direkt nach dem möglichen Ereignis

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es im Nachhinein (vor allem vier Tage nach dem Ereignis) schwer zu 100% zu beurteilen ist. Aufgrund der deutlichen Mehrheit der Argumente für einen Tornado (vor allem die enge räumliche Begrenzung) kommen wir dennoch zu dem Entschluss, dass es sich dabei um ein sehr kurzlebiges und schwaches Tornadoereignis gehandelt hat. Geschätzter Stärkegrad: EF0 T1 (max. EF1 T2).

Quellen:

Google Maps (https://www.google.at/maps/@46.7596559, ... a=!3m1!1e3)

RADARSKA SLIKA PADAVIN (http://meteo.arso.gov.si/met/sl/weather/observ/radar/).

Kachelmannwetter.at (https://kachelmannwetter.com/at/regenra ... rmark.html).
Zuletzt geändert von jfk am Montag 19. Juli 2021, 21:20, insgesamt 2-mal geändert.
Liebe Grüße, Johannes,
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ThomasPf
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Dienstag 20. Juli 2021, 00:39

Danke für den ausführlichen Bericht, Johannes! *top*

Ob das ein Tornado oder "nur" ein Linienwind war, getraue ich mich nicht festzulegen. Ich bin schon gespannt, was erfahrene Experten zu den Schadensbildern sagen.
Liebe Grüße,
Thomas.


Hart bei Graz, Ragnitztal 47°4'25''N, 15°31'1''E, 418m ü.NN, bzw.
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Feli
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Dienstag 20. Juli 2021, 07:23

hey vielen dank für die ausführliche analyse!
sehr schön nachvollziehbar und perfenkt gemacht!
*top* *ja*
liebe grüsse
(die) Feli
Bild
Aschach/Steyr/OÖ 435m, Wetterstation: Davis Vant-Vue
I took a heavenly ride through our silence, I knew the waiting had begun. And headed straight into the shining sun -D. Gilmore
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Dienstag 20. Juli 2021, 15:51

Wie immer top dokumentiert - vielen Dank!!
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Herfried
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Mittwoch 21. Juli 2021, 00:33

Danke Johannes
Schöne Grüße aus Mühldorf bei und 100 m über Feldbach, Herfried Spät-Schneefrosch 2011 und 2020 ex aequo, früh 2021, Eisfrosch 2020
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nuntius
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Donnerstag 22. Juli 2021, 13:24

Danke euch! Oft ist es am nächsten Tag schon schwer, Dinge nachzuvollziehen. Da sind viele Schäden schon aufgearbeitet.
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hhkes
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Sonntag 25. Juli 2021, 14:07

Ein interessanter Bericht über Entstehung dieser SZ (über dem Drautal) findet sich (bitte hinunterscrollen) unter

http://forum.zevs.si/index.php?topic=7260.0

Vielen Dank, Matej und Kristijan *top* *bravo*
LG, Harald
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Crakil
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Wohnort: Kumberg / Deutschfeistritz

Montag 9. August 2021, 13:02

Danke für die ausführliche Analyse. Mich hat damals die Lebensdauer dieser Zelle trotz Konkurrenz fasziniert - von Kroatien nahe Krk bis etwa 100 km jenseits der tschechischen Grenze.

Ich glaube nicht, dass es gegen einen Tornado spricht, wenn sich dieser hinter der Mesozyklone befindet. Ich stand letztes Jahr vor dem Rätsel, wie sich ein definitiver Wirbelsturm in einem sehr windschwachen Milieu hinter dem Niederschlagskern einer Superzelle bei Deutschfeistritz bilden konnte.

Als plausible Erklärung fand ich dann den Superzellenerneuerungszyklus. Im Laufe der Zeit kommt es zur Okkludierung des Zentrums der Mesozyklone und zur Ausbildung eines neuen Zentrums in Zugrichtung blickend weiter rechts. Der alte Kern samt möglichem Tornado wandert dann auf die Rückseite, eventuell sogar ins das neue Niederschlagsfeld, bis sich die Vorticity zerstreut hat. Der Prozess ist in dieser Präsentation auf Folie 58 dargestellt:

https://www.slideserve.com/aman/supercells

Ich finde darüber leider kaum Informationen. Dieser Prozess scheint sich von einem Storm-Split zu unterscheiden, da beide Mesozyklonen den selben Rotationssinn haben. Im Radarbild zum Zeitpunkt des Ereignisses am 14.7. erkennt man am Ort des Tornados jedenfalls ein verdächtiges zweites Inflowecho. Ich glaube, das ist die alte Mesozyklone, die zu dem Zeitpunkt noch aktiv war, während sich bereits weiter östlich eine neue gebildet hat.
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